Elke Petzel

Papierarbeiten

Bei Elke unter den Wolken – Ein Atelierbesuch

In der Wetterküche

Ich kenne Elkes vorigen Neuen Bilder, von Fotos, und ich mag sie sehr: Orgien von Pinselstrichen, in einem Zug über die ganze Leinwand geratscht, blaues Blau, blutiges Rot, heftige Einsprengsel von Schwarz, Grün, Gelb. Und nun? Nein, kein Pinselstrich darf zu sehen sein! sagt Elke, das gehört zum Konzept. Davon später. Aber von Wolken dürfen wir reden, vorläufig. Schließlich tragen die Bilder Titel wie Cumulus im November I, Cumulus im November II oder schlicht Wolken.

Doch was Elke da malt, das ist nicht Landschaftsmalerei, Subkategorie Wolken. Sie malt die Wetterküche, den Wolkenhimmel in der kurzen Starre vor dem Umkippen. Und sie malt ihn in der reinen Untersicht. Ich liege auf dem Rücken, auf der Wiese, schaue in die Wolken, Hoher Druckunterschied, Sturm zieht auf, warnen die Bildtitel. Gleich wird die erste Böe kommen, der Platzregen, Blitz, Donner. Ein Marienkäfer läuft mir über die Hand, ich stehe nicht auf. Halt, nein, sie malt die Draufsicht! Ich sitze im Flugzeug, blicke hinunter aufs Wolkenmeer, schließe die Augen. Dear passengers, eine sanfte Stimme hat der Captain, now we are leaving Mare Britannicum, going to Mare Cantabricum, Mare Lusitanicum, Ma…

Informel in Wolkenform

Was ist das Geheimnis, frage ich Elke, oder nennst du es lieber Konzept? Ganz einfach, sagt sie, farbig grundierte Leinwand (welche Farbe?), hast du das nicht gemerkt, Ölfarben, nicht Acryl, reduzierte Palette, Schwarz, Weiß, Blau, Mischung teils vorab, teils beim Malen auf der Leinwand. Mit der schwarzen Keimzelle fange ich an, von da an entwickelt es sich, Skizzen mache ich keine, Fluchtpunkt gibts nicht. Wenn es sich falsch entwickelt, wenn nur ein Fleckchen nicht stimmt, muss ich eingreifen, alles komplett neu anlegen, sonst sind die Übergänge nicht weich. Je öfter das passiert, desto mehr Schichten habe ich, und damit krieg ich die Tiefe, die Weichheit und die Ungegenständlichkeit. Informel in Wolkenform. Genau, sage ich, danach habe ich gesucht.

Berge ohne Fluchtpunkt

In einer Ausstellung sollten diese Bilder unter die Decke gehängt werden, stelle ich mir vor, lauter Ausschnitte aus demselben Himmel, man wird auf dem Rollbrett durchgeschoben. Oder sie werden auf dem Boden ausgelegt, ein Laufsteg führt drüber. Ich sags nicht und hab Glück gehabt, Elke zieht zwei Bilder aus dem Stapel, hängt sie auf, Davos 2022, 100 x 100 und 100 x 120. Der Blick geht nicht nach oben oder unten. Man steht mittendrin, eingetaucht in die Wolkensuppe, geradeaus reißen Sichtschlitze auf, dunkelgrüne Spitzen stechen hervor. Bäume, Berge, Wolken, Grün, ja und bei den Wolken ist Lila dabei. Eine Berglandschaft in Andeutungen und vor der Erfindung des Fluchtpunkts. Sie gefällt mir sehr. Und dann die Schluss-Überraschung, Elke zieht sie hervor, Abendhimmel (2021) 80 x 90, und da ist es wieder, das Blau und das Rot und ein hartes Weiß. Ich sehe schon, Experiment geht vor Konzept, und ich muss wiederkommen.
Jetzt einen Kaffee, fragt Elke. Ohja, gerne.

Zuhause rufe ich die gemeinsame Freundin an, was gefällt dir an Elkes Bildern besonders? Die Kraft und die Leichtigkeit, sagt sie.

Peter Kuhweide